MARKUS MAUTHE – DER FOTOGRAF

Markus Mauthe, Jahrgang 1969, stammt aus Friedrichshafen am Bodensee. Schon von Kindesbeinen an hatte er einen Traum, der ihn bis heute immer wieder aufs Neue antreibt: die Erde in ihrer wunderbaren Vielfalt zu entdecken und mit der Kamera zu portraitieren. Sein Faible für fremde Länder, Natur und Abenteuer ließ ihn bereits mit siebzehn Jahren zum ersten Mal den afrikanischen Kontinent bereisen. Mit 20 durchquerte er Neuseeland mit dem Fahrrad und seine dauerhafte Liebe zur Naturfotografie war entfacht.

30 Jahre liegt der Beginn seiner Karriere nun zurück. Über 80 Länder hat er zum Teil mehrfach bereist und in allen Ökosystemen dieser Erde fotografiert. Am liebsten ist der Fotograf mit seiner Kamera in ursprünglichen Landstrichen unterwegs – dort, wo die Natur noch völlig unberührt vom Menschen in ihren natürlichen Kreisläufen funktioniert.

In seinen Veröffentlichungen – ob Live-Reportagen, Büchern oder Filmen, liegt ihm eines besonders am Herzen: die Schönheit der Welt zu zeigen und gleichzeitig auf die Bedrohung aufmerksam zu machen, denen Mensch und Natur heute ausgesetzt sind.

Seit dem Jahr 2003 setzt er sich zusammen mit der Umweltschutzorganisation Greenpeace für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlage unseres Planeten ein. An bis zu 100 Abenden im Jahr füllt er die Vortragshallen der Republik und begeistert die Besucher mit seinen Fotografien, die er auf der Großbildleinwand präsentiert und mit authentischen, live erzählten Geschichten begleitet. Im Mittelpunkt seiner Auftritte stehen neben der Schönheit der Erde, die er in seinen ästhetischen und anspruchsvollen Aufnahmen zeigt,  auch ihre Zerbrechlichkeit und Vernichtung.

Seit einigen Jahren ist der gebürtige Schwabe nicht nur in Gladbeck (NRW) zuhause, sondern auch im brasilianischen Bundesstaat Bahia. Dort betreibt er gemeinsam mit seiner brasilianischen Frau die Fazenda Almada, die Kakaofarm ihrer Familie. Dazu haben sie ein Projekt zur Wiederaufforstung des Regenwaldes initiiert: AMAP (Almada Mata Atlantica Project), eine gemeinnützige Naturschutzorganisation, die tropischen Regenwald pflanzt und für seienen dauerhaften Schutz sorgt. 

Als leidenschaftlicher Umweltaktivist setzt sich Mauthe mit seiner Arbeit für den Erhalt von bedrohten Lebensräumen ein, sein Anliegen ist es, das Feuer seiner eigenen Begeisterung für die Schönheit und Vielfalt intakter Natur und ihrer Bewohner bei möglichst vielen anderen Menschen zu entfachen. „Nur was wir lieben und was uns gegenwärtig ist, sind wir bereit zu schützen“, so Mauthes Erfahrung.

Für seine Bilder und Dokumentation reist er in die entlegensten Winkel unter schwierigsten Bedingungen – das gehört für den Profifotografen dazu: denn das Glück liegt für ihn jenseits der Komfortzone. Für Mauthe ist sein Beruf auch eine Berufung. Er steckt seine eigenen Bedürfnisse zurück, wenn es um das perfekte Bild geht.

www.markus-mauthe.de

Interview mit Markus Mauthe

Herr Mauthe, seit 30 Jahren sind Sie mit ihrer Kamera unterwegs und bringen faszinierende Bilder aus den verschiedensten Lebensräumen unserer Erde mit. Diesmal haben Sie vor allem Menschen in den Fokus Ihrer Arbeit gerückt und es sich zum Auftrag gemacht, Indigene Gemeinschaften zu porträtieren. Wie kam es zu diesem Vorhaben?
Tatsächlich lag der Schwerpunkt meiner Arbeit in den vergangenen Jahren darauf, die Vielfalt und Schönheit der Natur abzubilden. Ich habe beispielsweise sehr viel in Wäldern gearbeitet. Meine Fotos habe ich immer gezielt genutzt, um auf die Veränderungen hinzuweisen, denen sie ausgesetzt ist. Das aktuelle Projekt nimmt nun die Perspektive derer ein, die allgemein hin noch enger mit der Natur verbunden sind, als der Großteil der Menschen heute. Es ist praktisch eine logische Fortsetzung meines bisherigen Tuns. Nun richte ich meinen Blick nicht nur auf die Natur und Umwelt, sondern auf die Menschen, die darin leben.

Welches Ziel verfolgen Sie mit ihrer Arbeit und was treibt Sie an?
Ich hatte und habe das Privileg in meinem Leben viel reisen zu dürfen. Dies hat mir die Möglichkeit eröffnet, sehr viel von unserem wunderschönen Planeten erkunden zu können. Diese Erfahrung möchte ich in Form meiner Bilder und Berichte an andere weitergeben. Das Feuer meiner eigenen Begeisterung für die Schönheit und Vielfalt intakter Natur und deren Bewohner möchte ich mit meiner Arbeit bei möglichst vielen Menschen ebenfalls entfachen – sei es mit meiner Fotografie, bei meinen Live-Reportagen oder in meinen Büchern. Denn nur was wir lieben und was uns gegenwärtig ist, das sind wir auch bereit zu schützen.

Sie haben für dieses Projekt 13 Reisen unternommen und haben 22 indigene Volksgruppen besucht. Nach welchen Kriterien haben Sie ihre Auswahl getroffen?
Ich wollte die ungeheure Anpassungsfähigkeit des Menschen darstellen, deshalb habe ich vier unterschiedliche Lebensräume ausgewählt: Wald, Grasland, Wasser und Eis. Dafür war ich in Afrika, in Asien, am Nordpolarkreis und in Südamerika unterwegs. Ich versprach mir davon eine ungeheure Fülle an spannenden Geschichten und Motiven.

Gab es indigene Gemeinschaften, die Sie besonders beeindruckt haben?
Beeindruckt war ich eigentlich von allen Besuchen. Der Großteil dieser Menschen lebt unter Bedingungen, die für uns, mit unserem westlichen Lebensstil, kaum erträglich wären. Sei es wegen des Mangels an sauberen Wasser oder einer ausgewogenen Ernährung, extremen Umweltbedingungen wie Hitze oder Kälte, oder dem Fehlen von praktisch jeglicher Bequemlichkeit. Ein Beispiel fand ich besonders beachtenswert: Die Volksgruppe der Mundari lebt im Südsudan nur wenige Autostunden von der Hauptstadt Juba entfernt. Diese Weltregion kennt seit vielen Jahrzehnten nur den Zustand des bewaffneten Konflikts. Trotzdem ist die Gemeinschaft der Mundari bis heute in ihren sozialen und kulturellen Strukturen intakt. Sie leben in enger symbiotischer Verbindung mit ihren großhornigen Rindern, worüber sie auch ihre kulturelle Identität definieren.

In Zeiten der Globalisierung verschwindet heute ein Großteil der kulturellen Eigenheiten mit rasanter Geschwindigkeit.

Welche persönlichen Begegnungen haben Sie besonders berührt?
Im Omo-Tal im Süden Äthiopiens werden massiv Industrieprojekte angeschoben. Landraub in großem Stil ermöglichen Zuckerrohrfelder riesigen Ausmaßes. Diese müssen bewässert werden, weshalb der Omo-Fluss seit kurzem mit Staudämmen gezähmt wird. In diesem Gebiet gibt es eine ungeheure Vielfalt verschiedener Ethnien, die auf relativ kleiner Fläche zusammenleben. Eine davon ist die Gruppe der Dasanech. Die Existenz dieser Menschen ist stark durch die Staudämme bedroht. Die Regenzeit brachte jährliche Überschwemmungen, mit denen der Fluss wichtige Mineralien über ihre Felder gespült hat. Diese wird es in Zukunft nicht mehr geben, was praktisch die Lebensgrundlage der Dasanech zerstört. Immer öfter sieht man im Omo-Tal die weißen Zelte der Welthungerhilfe. Mit Almosen, auch noch in Plastik verpackt, versucht die westliche Welt etwas gutzumachen und zurückzugeben, was man den Menschen an anderer Stelle entreißt. „Wir brauchen eure Hilfe nicht! Wir benötigen nur das Wasser aus unserem Fluss.“ Dieser Satz einer

Dasanech – schon fast in flehendem Ton ausgesprochen, als ich sie für mein Projekt interviewt habe – ist einer der Schlüsselmomente des gesamten Projektes für mich gewesen. Bringt er doch auf den Punkt, was ich an so vielen anderen Stellen der Erde auch beobachten konnte: Das Schicksal einiger vermeintlich Rückständiger wird einem Weltbild geopfert, in dem Profit und ein möglichst rasches Angleichen an westliche Vorstellungen einer modernen Lebensweise oberste Priorität haben.

Sie arbeiten auf ihren Reisen immer wieder unter erschwerten Bedingungen. Welchen Herausforderungen waren Sie auf den Reisen für ihr neues Fotoprojekt mitunter ausgesetzt?
Nicht selten war die Logistik vor dem jeweiligen Start eine große Herausforderung. Eine Reise in den Südsudan erschien trotz endloser Recherchen jahrelang als völlig unmöglich. Durch Zufall und Glück habe ich schließlich doch noch die richtigen Leute gefunden, die unter hohem Aufwand das scheinbar Unmögliche wahrmachen konnten.

Mit einer guten Planung und einem zuverlässigen Team kann man heute eigentlich relativ sicher fast jeden Winkel der Erde bereisen. Aber natürlich kann einem dabei Unvorhergesehenes immer widerfahren. Geschwächt durch einen Infekt, dachte ich bei der Besteigung eines Bergzuges im Südsudan ich müsse verdursten, weil sich das dortige Wasser als ungenießbar erwies. Aber auch wenn es für mich zuweilen an meine körperlichen Grenzen ging, zumeist wegen großer Hitze, hat doch alles immer recht gut geklappt. Auch die Wurmeier, die sich in meinen Füßen eingenistet hatten, waren in Deutschland schnell wieder herausgeschnitten.

Was hat Sie aus fotografischer Sicht an ihrem Vorhaben, indigene Kulturen zu portraitieren, am meisten gereizt?
Ich habe in den dreißig Jahren als Fotograf hart daran gearbeitet, einen eigenen künstlerischen Stil zu entwickeln, mit dem ich hoffe, dass er viele Menschen anspricht. Diese Entwicklung ist nie zu Ende und ich versuche für diese Darstellungsweise auch immer neue Motive zu finden. So habe ich mich vor einigen Jahren überwunden und mit dem Tauchen begonnen, um die Welt unter Wasser für mich und meinen Fotostil zu öffnen. Das hat geklappt. Ähnlich war es nun mit den indigenen Gemeinschaften. Wäre es mir möglich, diese Menschen mit meiner Art zu fotografieren?

Am wichtigsten war mir dabei, die Schönheit und Würde eines jeden Einzelnen zu zeigen. Ich habe versucht herauszuarbeiten, was sie einzigartig macht. Alles, was auf meinen Fotos zu sehen ist, ist noch Realität. Das Wissen und die traditionellen Fähigkeiten, die ich abgebildet habe, sind noch da. In seltenen Fällen wurde ein Kleidungsstück für eine Aufnahme übergezogen oder wurden Fähigkeiten gezielt aufgeführt, weil sie im Alltag kaum noch Verwendung finden. Die Phase des Übergangs in die Moderne ist in vollem Gang. In zehn Jahren werden viele dieser Motive so nicht mehr möglich sein. Die neue Welt lässt Rituale und Tänze langweilig, Werkzeuge und Fertigkeiten überflüssig werden und Schönheitsideale wandeln. Als ich das Projekt begonnen habe, war mir bewusst, dass es in mancherlei Hinsicht ein Wettlauf mit der Zeit sein würde. Ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Blick in Geschichte der Menschheit noch habe werfen dürfen.